Interview mit Regisseurin Gigi Gaston
Regisseurin und Autorin Gigi Gaston, die etliche Drehbücher an Universal, Miramax, New Line und Fox verkauft und diverse Spielfilme umgesetzt hat, zur Produktion und Umsetzung von 9 Bullets:
Woher kam die Idee für diesen Film?
Die Geschichte ist sehr stark beeinflusst von Gypsy Rose Lee, wie ich sie als junges Mädchen erlebt habe. ,,Siehst du das hier?", sagte sie mir und zeigte auf ihren Körper, ,,das ist das, was alle Männer sehen. Aber wirklich wichtig ist nur das, was zwischen meinen Ohren ist." Dabei zeigte sie auf ihr Gehirn und ergänzte: ,,Vergiss das nie. Vergiss nie, was zwischen deinen Ohren ist." Viele wissen nicht, dass sich, als Gypsy Rose Lee ein Buch geschrieben hatte, ihr ganzes Leben änderte, die Leute sie in einem anderen Licht sahen.
Allerdings denke ich, genoss sie auch als Burlesque-Tänzerin großen Respekt. Sie füllte Locations mit 5.000, 10.000 Plätzen, obwohl sie sich nie vollständig auszog, das endete immer ganz kurz davor. Für mich als Frau repräsentiert das ungeheure Macht. Ich will, dass der Film Frauen Mut macht, sie in ihren Zielen bestärkt.
Ein weiterer Einfluss für den Film war mein Sohn. Wie Gypsy habe ich mich zunächst gegen ein Kind gesträubt, doch als ich dann Mutter wurde, hat das einen ganz neuen Bereich meines Herzens geöffnet und meine Seele neu aufleben lassen. Die Wurzel dieses Projekts ist mein Sohn Dash, dem ich den Film auch widme.
Wie lief die Produktion ab?
Das war echt die Hölle, überschrieben mit: ,,Gib niemals auf!" Ich hatte bereits zwei Jahre erfolglos versucht, den Film in die Gänge zu bekommen, als mir auf Facebook ein Produzent über den Weg lief, der das Drehbuch mochte und Cassian Elwes ins Spiel brachte. Und BÄM, schon ging's vorwärts. Den Casting Director, Mary Vernieu, lernte ich über meinen Sohn Dash kennen. Die Mutter eines seiner Freunde -der ganz nebenbei einen Song im Film untergebracht hat- ist ihre beste Freundin, was die Besetzung, als Cassian endlich an Bord war, ziemlich flott voranschreiten ließ.
Der Film fand dank Cassian in die Spur, bis hin zu Freunden, die nun anboten, hier Geld zu investieren. Die Produktion bekam grünes Licht, im Oktober 2020 begannen die Dreharbeiten - mitten in der Corona-Pandemie. Wir wussten bis zum Schluss nicht, ob wir alles abbrechen müssen, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Letztendlich aber denke ich, dass ich nur so den Covid-19-Wahnsinn durchstehen konnte. Der Film half mir, fokussiert zu bleiben.
Welche Filme haben Sie bei 9 BULLETS inspiriert?
Das waren so viele, die Liste ist schier endlos. Am wichtigsten waren aber ,,Paper Moon", ,,Bonnie und Clyde", ,,A Perfect World" und ,,Gloria".
Welche Schwierigkeiten bereitete der Dreh in der Wüste?
Das betraf vor allem das Budget. Problematisch war natürlich, in einem Staat zu bleiben und die Locations immer anders aussehen zu lassen. Und eine Woche vor Drehbeginn musste ich noch einige großartige Actionsequenzen aus dem Drehbuch entfernen.
Wie war die Arbeit mit Dean Scott Vazquez, der den Jungen spielt?
Dean war ein Traum, ich liebe ihn als wäre er mein eigener Sohn. Lena und ich wählten ihn nach einem Vorsprechen mit ihr aus. Insgesamt waren da fünf Kinder anwesend und ich vereinbarte mit Lena, dass wir uns gegenseitig schreiben, wer unser Favorit ist. Ohne uns weiter abzusprechen, kam bei uns beiden dieselbe Nachricht an: ,,Dean!" Er ist ein wirklich wunderbarer Junge, der sich für jeden Take richtig begeistern konnte. Gerade anfangs tarnte ich die Aufnahmen gerne als Proben, um ihm verschiedene Varianten einer Szene zu entlocken. Nur Lena bekam dann zugeflüstert, welcher Take der ,,real deal" werden sollte.
Dean machte auf jeden Fall alles mit, bis hin zu Tränen. ,,Okay, bring mich zum Weinen," sagte er, ,,erzähl mir eine Geschichte". Für die Szene, in der er die Leichen seiner Familie sieht, erzählte ich ihm, wie meine Mutter in meinen Armen gestorben ist. Er fing daraufhin an zu weinen und schon konnten wir drehen. Er ist einfach ein großartiger Schauspieler, immer begeistert bei der Sache, immer mit dem Wunsch, möglichst viel zu drehen, eine möglichst große Bandbreite zeigen zu können. Ich habe die Arbeit mit ihm geliebt.
Die Szenen mit Sam und Lena reichen von erotisch aufgeladen bis gefährlich. Wie konnten Sie diese Spannung zwischen den beiden erzeugen?
Wichtig hierfür sind großartige Schauspieler und ausgefeilte Figuren mit umfassenden Vorgeschichten. Ich hatte beides.
Sam war unglaublich und Lena Headey ist, wie ich finde, in einer Liga mit Meryl Streep - was durch den Film hoffentlich jedem bewusst werden wird. Sie ist in jeder Sekunde Gypsy, atmet diese Figur, verinnerlicht sie. Alles spielt sich dabei in ihrem Gesicht ab, jeder Moment ist voller Emotionen, ihre Vorgeschichte überträgt sich in die Gegenwart. Sie und ich, wir waren ein verschworenes Team, frei wie aufsteigende Vögel. Ohne sie wäre ich nichts gewesen. Ich glaube, kein Regisseur kann ohne Schauspieler Bedeutendes leisten. Sie sind mein Sauerstoff, sie erschaffen alles und verpassen dem Drehbuch so viel Tiefe. Nur Schauspieler können Momente unvergesslich machen.
Wie war die Arbeit mit erfahrenen Profis wie Barbara Hershey?
Barbara war fantastisch. Es macht so viel Spaß, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Ursprünglich war ihr nur ein Cameo-Auftritt zugedacht, doch dann wurde ihre Rolle viel größer und bedeutungsvoller. Sie wusste auch, was es heißt, als Frau Regie zu führen, und sagte sogar einige Schwierigkeiten voraus. Eines unserer Gesprächsthemen war Garry Marshall, der sowohl mein Mentor war als auch ihr Regisseur bei ,,Freundinnen". Barbara war ein Vorbild für alle anderen, nie am quengeln und immer super vorbereitet. Ich liebe sie!
Wie stark weicht Sam Worthingtons Figur vom ursprünglichen Konzept ab? Und wie war die Arbeit mit ihm?
Sam hatte genaue Vorstellungen von seiner Figur, sie wurde durch ihn stiller, bedrohlicher, tiefgründiger. Seine Schwäche für Gypsy spielen wir sehr subtil aus. Es ist wohl so, dass er jeden töten könnte, nur eben Gypsy nicht - was er aber niemals mit letzter Sicherheit herausfindet, so wie auch sie nicht.
Sam schickte mir Bilder, was er gerne tragen würde. Er wollte mehr als Cowboy rüberkommen, das Tattoo auf seiner Brust war ebenso seine Idee. Mit ihm zu arbeiten, war großartig. Er macht seine Szenen so real, ich liebe die stille Gefahr, die er ausstrahlt.
Haben Sie bei dieser Produktion Lektionen für zukünftige Projekte gelernt?
Oh ja! Überprüfe genau, mit wem du Geschäfte machst und sag nicht vorschnell zu allem Ja. In dieser Branche bekommt man so schwer eine Chance, dass einem jeder, der deinen Film finanzieren möchte, automatisch als Held erscheint - auch wenn er es letztendlich gar nicht ist. Selbst in diesen schweren Momenten aber sollte man nicht vergessen, dass das vielleicht vorschnelle Ja zu einem Film führt. Und nur das ist es, was wirklich zählt.
Und dann noch die Schauspieler, Schauspieler sind einfach ALLES. Ich liebe sie, sie machen den Unterschied, was das Drehbuch angeht, die Arbeit mit ihnen birgt so manche Überraschung. All das trifft auf jeden Fall auf Lena Headey zu, es gibt einfach nichts, was sie nicht kann. Sie ist offen, voller Überraschungen, pünktlich, professionell und sowieso einfach die Größte. Sie verkörpert alles und dann noch mehr, der absolute Jackpot. Sie IST Gypsy. Niemand sonst hätte diese Figur spielen können. Ich stehe dafür so in ihrer Schuld. Sie hat meinen Traum wahr werden lassen und dafür würde ich mit ihr sofort wieder arbeiten, bei jedem Film.
Gibt es ein übergeordnetes Thema bei dem Film oder eine Botschaft, die das Publikum mitnehmen soll?
Es geht um zweite Chancen, um den menschlichen Geist, um Liebe und dass man nie weiß, wann einen die zweite Chance erwartet, wo und von wem ausgehend. Meine eigene zweite Chance war es, diesen wunderbaren Film doch noch machen zu können.
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